ARTIST IN RESIDENCE

Sholeh Mohammadi


Artist in Residence | Oktober 2019 bis Januar 2020
Samstag | 23.10.2019 |  17 Uhr 
Ausstellung | "Dämonkratie" | A.K.T. | Pforzheim | Deutschland
Samstag | 14.12.2019 | 19 Uhr 
Ausstellung | "Insitu Movements" | Letschebach | Karlsruhe | Deutschland
Donnerstag | 17.12.2019 | 19 Uhr  
Vortrag | "Insitu Movements" | Staatliche Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe | Deutschland
Urheberrechte | Sholeh Mohammadi | Auszüge aus dem Projekt "Hidden" | Foto: Sholeh Mohammadi | Grafik: Jürgen Glaser

Sohle Mohammadi. Obwohl im Westen Irans geboren und aufgewachsen, einer Region in der die Berge in den Himmel ragen und die Fantasien in den Horizont fliegen dürfen, sind meine frühen Erinnerungen von den militärischen Blockaden und Einschränkungen geprägt, denen wir während des Krieges so nahe an der irakischen Grenze ausgesetzt waren. Dieser Zweispalt, die inneren Konflikte und die damit aufkommenden Lebensfragen bilden in meinen Leben den Grund, mich der Kunst und Ihren Ausdrucksweisen zuzuwenden. 

 

Selbst meine mathematisch wissenschaftlich ausgerichtete College-Zeit verwandelte sich in einen großen Durst nach Kunst und Kunstschaffen und führte mich letztendlich zu meinem Studium an der „Teheran University, Department of Fine Art, Theatre". Während meines Studiums, als ich mich schon im Aufbau meiner Karriere als Schauspielerin wiederfand, und trotz zahlreicher Auszeichnungen und Ermutigungen, diesen Weg zu gehen, spürte ich immer einen Leerraum tief in meinem Innern. Die dramatische Literatur, das experimentelle Theater, performatives Arbeiten und Kurzfilme schienen die Plattform zu sein, auf der ich diesen Hohlraum füllen konnte. Diese Ausdrucksformen passen auch theoretisch und ästhetisch besser zu meiner Suche nach Tiefe in der künstlerischen Arbeit. Zwischen den folkloristischen Kunstformen, die Massen in unserer Gesellschaft verbinden und meiner Arbeit, die sich im Theater oder im performativen Raum an eine kleine Gruppe richtet, existiert eine Kluft. Mein Suchen und Streben in der Kunst gilt dem Brückenschlag und der Verbindung. Ich betrete öffentlichen Raum! 

 

Genau diese erweiternde Bewegung spielt eine bestimmende Rolle im Bezug auf meine jetzige künstlerische Arbeitsweise und das gesellschaftliche Engagement, das damit verbunden ist und auf das ich hier eingehen möchte. In der Hoffnung den konstruktiven Dialog tradierter Folklore und Moderne in der Gesellschaft aufleben zu lassen, habe ich den langen Weg eingeschlagen meine Kunst auf die Straße zu bringen. 

 

Die Performance „Adam“ brachte verschiedenste Menschen auf den Straßen Teherans zusammen, genau dort wo Gewalt gegen Frauen- und Menschenrechte seitens der Behörden nicht nur geduldet sondern die Regel sind. Adam bedeutet auf Farsi Mensch. In dieser Arbeit befasse ich mich eingehend damit, die Mikro- und Makroaggressionen aufzuzeigen, denen Frauen und Kinder im mittleren Osten ausgesetzt sind, wo Konflikte und Kriege ganze Generationen quälen und in die Ungewissheit stürzen. 

 

Um meine Arbeiten zu finanzieren, suche ich als Künstlerin nach alternativen Wegen, entweder durch interaktive Formen der Skulptur im öffentlichen Raum, bei denen Gemeinschaften zusammenkommen oder durch beratende Arbeiten für Firmen, Gesellschaften und Institutionen. Ein natürlicher Wanderer zwischen den Welten zu sein, hat mir sehr geholfen mit Menschen unterschiedlichsten Hintergrunds zu kooperieren, Arbeiten zu erschaffen, die weit über den Einzelnen hinausgehen und die so zu einer gegenseitigen Erfahrung und Bereicherung für mein Publikum, meine Mitarbeitenden und mir werden. Meine künstlerische Praxis stützt sich auf interdisziplinäre und sozialgesellschaftlich engagierte Aspekte. 

 

 

Die Hauptfrage, mit der ich mich dabei fortlaufend auseinandersetze ist, wie die Misshandlung unseres Planeten und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen die Art und Weise beeinflusst, wie wir uns gegenseitig körperlich und geistig behandeln. Eben weil dieses wachsende Feld so atemberaubend faszinierend für mich ist, kann meine Arbeit nur profitieren von einem freieren Umfeld, in dem Experimentieren und Erfahren gewünscht und sogar gefördert sind. Ich glaube, dass meine zukünftigen Arbeiten in jedem Medium eng mit der Suche nach Kooperationen, Mentoren und Programmen verbunden sein sollte, die mir helfen können in diesem Bestreben voranzukommen, statt in den Hindernissen stecken zu bleiben, die Totalitarismus und Zerstörung in mein Leben eingraviert haben und durch die ich mich täglich hindurch zu navigieren versuche. Ich bin in höchstem Masse motiviert diese Hindernisse zu überwinden, indem ich immer weiter experimentiere und erfahre und so mein persönliches und künstlerische Leben weiter und weiter ausbaue. 

 

Urheberrechte | Text | Sholeh Mohammadi | 2019 | Übersetzung: Mireille Lalive d`Epinay, Jürgen Glaser, Nooshin Hakim Javadi, Lisa Schlenker | 2019

Urheberrechte | Sholeh Mohammadi | Auszüge aus dem Projekt "Hidden" | Foto: Sholeh Mohammadi | Grafik: Jürgen Glaser

Insitu Movements. Das Forschungsprojekt „Insitu Movements“ ist ein offen angelegtes, interdisziplinäres und multikulturelles Konzept. Objekt, Bewegung, Klang und Performance als wissenschaftliches Grundprinzip, analoge und digitale Informationskultur, sowie soziale Partizipation lassen sich hier global, zeitgleich und damit situativ und effektiv verhandeln. Analoge Bewegungen und Klänge sind die Vorläufer unserer modernen Kommunikationssysteme. Instrumente und Informationsträger stehen global für Bewahrung, Verbreitung und Vermehrung von Wissen in der Zivilisation des zwanzigsten Jahrhunderts. Das globale Internet und dessen technische Entwicklung gewährt weit darüber hinaus einen Raum der Freiheit, wenn man ihn denn zu nutzen versteht. Das Projekt „Insitu Movements“ möchte genau auf diesen Dialog eingehen.

 

Sholeh Mohammadi (Künstlerin, IR) und Lisa Schlenker (Künstlerin, GER) kooperieren in ihrem Netzwerk- und Performancekultur Projekt mit unterschiedlichsten Künstlerkollegen weltweit. Abseits der Tendenzen des Kunst- und Technologiemarktes, sind sie dabei eine gemeinnützige digitale Netzwerk-Plattform für zeitgenössische Kunst, Kultur und Technologie zu schaffen. Die Einrichtung eines Netzwerk-Servers ermöglicht vollumfänglichen Informationsaustausch, zeitgleiches Arbeiten an Projekten und deren Weiterentwicklung alle beteiligten Künstlern. Die Technologie wird nach „Open Source“ Prinzipien entwickelt und zur Verfügung gestellt. So ist es möglich weltweit gleichberechtigte Möglichkeiten für Kunst- und Kulturschaffende zu bereit zu stellen. Ephemere Momente und Bewegungen vor Ort, digitales Experimentieren undtraditionelles technisches Handwerk erfahren so eine globale Gleichzeitigkeit aber auch Gleichwertigkeit. Ein Forschungszyklus entsteht!

 

Ziel ist es unsere zeitgenössische Kunst- und Kulturszene global zusammen agieren zu lassen und in Dialog zu bringen. Das Projekt „Insitu Movements“ möchte interdisziplinäre, multikulturelle Performancekultur, experimentelle Bewegung sowie soziale Partizipation in die Wege leiten, vertiefen und betreiben. Auch in diesem Ansatz bleibt im Zentrum des Projekts der Open Source Gedanke, in einer multikulturellen und kosmopolitischen uneigennützigen und selbstverantwortlichen arbeitenden Generation. Es geht hier im Kern um „kulturwissenschaftliche Performativitätsforschung“(1) und das Performative als eine grenzenlose „kulturwissenschaftliche Grundkategorie“(2), wie Erika Fischer-Lichte in Ihrem Buch „Die Ästhetik des Performativen“ beschreibt. Die Kernaussage dessen findet sich in folgendem Zitat: Die Perspektive des Performativen geht davon aus, dass kulturelle Phänomene und Prozesse neue Wirklichkeiten hervorbringen und nicht lediglich als Zusammenhänge von Zeichen zu begreifen sind, die es zu entziffern und zu verstehen gilt. Texte, Bilder, Artefakte, Aufführungen und Praktiken aller Art lassen sich damit neu und anders wahrnehmen. Kulturen aus der Perspektive des Performativen zu untersuchen, ermöglicht uns mit allen Beteiligten - vom Laien bis hin zum Wissenschaftler - gemeinsam neue immersive Welten zu entdecken.“(3) Wir entwickeln damit unseren globalen Kulturbegriff und Zeitgeist unabhängig weiter. So werden wir auch unsere Realität verändern. 

 

Urheberrechte | Text | Lisa Schlenker | 2019 | (1) Zitat, (2) Zitat, (3) Quelle, Erika Fischer Lichte: „Die Ästhetik des Performativen“